ReCommerce (auch bekannt als Reverse Commerce) bezeichnet den Verkauf von bereits genutzten Produkten über stationäre und digitale Vertriebskanäle.
Die vergangenen Jahre waren für den Einzelhandel von Unsicherheit geprägt: Eine drohende Rezession schwebt über dem Markt, während umweltbewusste Verbraucher:innen zunehmend die Verschwendung in der Fast-Fashion-Branche hinterfragen.
Diese Entwicklungen ebnen den Weg für Händler:innen, ein Wiederverkaufsprogramm aufzusetzen – also gebrauchte Produkte zurückzukaufen und ihnen ein zweites Leben zu schenken. Eine echte Win-win-Situation: Kund:innen erhalten hochwertige Produkte zu einem Bruchteil des ursprünglichen Preises, während Händler:innen Umsätze generieren, ohne neue Ware produzieren zu müssen.
Was ist ReCommerce?
ReCommerce findet in der Regel über organisierte Rückkauf-, Tausch- oder Upcycling-Programme statt – Initiativen, bei denen Kund:innen ihre gebrauchten Produkte zurückgeben können, oft im Austausch gegen Geld oder Guthaben im Store. Die Händler:innen bereiten diese Artikel anschließend auf und verkaufen sie – im Geschäft oder online – zu einem reduzierten Preis weiter.
Warum sich ReCommerce lohnt
Abgesehen vom schieren Marktvolumen gibt es viele Gründe, warum sich Einzelhandelsunternehmen dem Wiederverkauf von Produkten zuwenden.
Preissensible Käufer:innen gewinnen
Viele Menschen reduzieren aufgrund der Rezession ihre Ausgaben. Für Premiummarken bietet der Verkauf gebrauchter Produkte eine Möglichkeit, auch preissensiblere Käufer:innen zu erreichen. Haben sie ein Produkt einmal ausprobiert, lässt sich diese Zielgruppe oft leichter für regulär bepreiste Artikel gewinnen.
Kosteneinsparungen und Preiskontrolle
Statt ein Produkt mehrfach für einzelne Kund:innen zu produzieren, kann dasselbe Produkt mehrfach weiterverkauft werden. Dadurch verkürzt sich die Lieferkette, während gleichzeitig der Umsatz pro Artikel maximiert wird.
Nachhaltigkeit
Um der Verschwendung in der Modebranche entgegenzuwirken, setzen viele nachhaltigkeitsorientierte Einzelhandelsinitiativen auf eine Kreislaufwirtschaft. Diese fördert Reparatur und Wiederverwertung bestehender Materialien und Produkte über einen möglichst langen Zeitraum.
Bewusster Konsum
Da es immer einfacher wird, Kleidung online weiterzuverkaufen, trennen sich viele Menschen von alten Kleidungsstücken und investieren das Geld in hochwertigere gebrauchte Artikel. Apps wie Depop und Poshmark ebnen modernen ReCommerce-Diensten den Weg und haben gleichzeitig zur Entstehung einer florierenden Wiederverkaufsbranche beigetragen.
Kundenbindung fördern
Einmal im Store – insbesondere bei wiederkehrenden Kund:innen – steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kauf erfolgt. Außerdem sind Käufer:innen eher bereit, ein Produkt zu erwerben, wenn sie wissen, dass es später noch einen Wiederverkaufswert hat.
Vor- und Nachteile von ReCommerce
Vorteile des ReCommerce
Umweltschutz
Wir leben in Zeiten von Plastikinseln im Ozean und europäischen Müllbergen in Übersee. ReCommerce hilft, sich diesen Umweltkatastrophen entgegenzustellen. Ein Produkt, das weiterverwendet wird, ist ein Posten weniger auf dem Abfallhaufen. Und da sich immer mehr Menschen Ökologie und Naturschutz auf ihre Fahnen schreiben, bekommst du gleichzeitig ein wertvolles Kaufargument geliefert, genau deinen Shop zu besuchen.
Lesetipp: Nachhaltige Onlineshops werden immer gefragter. Auch diese 9 Shopify-Stores setzen auf Umweltbewusstsein.
Der humanitäre Aspekt
Elektroschrott wird häufig nicht in Deutschland recycelt, sondern zu einem Großteil nach Afrika exportiert. Dort wiederum werden Menschen – oft Kinder – von windigen Geschäftsleuten für einen Hungerlohn gezwungen, unseren Abfall nach noch brauchbaren Teilen zu durchsuchen. Um diesen Umstand langfristig abzustellen, reicht kein finanzielles Hilfsprogramm, sondern nur ein Umdenken in den reichen Industrieländern. Mit ReCommerce trägst du zu einer Umstrukturierung bei.
Wegwerfen war gestern
Immer mehr Konsumierende haben die Nase voll von ständigen Updates, von Produkten, die kaum ein Jahr alt werden – der sogenannten geplanten Obsoleszenz – und von fadenscheinigen Verkaufsargumenten für immer neue Konsumgüter. Lieber greifen sie zu einem Artikel, der weniger kostet, dafür aber lange hält. Wenn du einen eigenen Second-Hand-Laden eröffnest, springst du auf genau diesen Zug auf und lieferst deiner Kundschaft hochqualitative Ware zu einem fairen Preis.
Regionale Wirtschaft stärken
ReCommerce schafft Jobs. Und zwar nicht irgendwo, sondern genau dort, wo dein Unternehmen sitzt. Denn wenn dein Business erst einmal läuft, wirst du immer mehr Teammitglieder brauchen, die dir helfen, deine Ware auf Vordermann zu bringen, sich um Verpackung, Versand und Kundenservice kümmern. Du bezahlst kein ausländisches Großunternehmen oder Textilfabrik, deren Arbeitsbedingungen außerhalb deiner Kontrolle liegen, sondern die Menschen in deinem Heimatort.
Nachteile des ReCommerce
Kleinere Margen
Niemand zahlt für ein gebrauchtes Produkt so viel wie für Neuware. Das bedeutet im Umkehrschluss zwar, dass auch du deine Artikel günstig beziehen kannst, allerdings darfst du die Zeit nicht außer Acht lassen, die du in Reparatur und Wiederaufbereitung investieren musst. Die Gewinnspanne, die du erzielen kannst, ist also mitunter etwas schmaler als im klassischen Handel.
Schrott-Risiko
Insbesondere bei technischen Produkten kann es passieren, dass sie nicht mehr zu reparieren sind oder eine Instandsetzung einfach nicht wirtschaftlich ist. Stellst du also beispielsweise erst nach Ankauf eines TV-Gerätes fest, dass seine Zeit tatsächlich abgelaufen ist, bist du leider nur noch Besitzer:in eines teuren Haufens Altmetall.
Des Ladenhüters Pechvogel
Wenn du Neuware direkt vom Hersteller bzw. direkt von der Herstellerin kaufst und weiterverkaufst, existieren in der Regel vertragliche Regelungen, die es dir erlauben, nicht abgesetzte Artikel an die Produzent:innen zurückzugeben. Das Risiko von Ladenhütern tragen hier also die Hersteller:innen. Im ReCommerce sieht diese Sache natürlich anders aus. Auf einem Artikel, der sich partout nicht verkaufen lässt, bleibst du schlicht und einfach sitzen.
Lesetipp: Du möchtest auch endlich in den Wachstumsmarkt E-Commerce einsteigen? Dann haben wir in diesem Beitrag alles für dich zusammengefasst, was du über den Onlinehandel wissen musst.
Voraussetzungen für die Gründung eines ReCommerce-Shops
Für die Eröffnung eines ReCommerce-Shops brauchst du keine formellen Voraussetzungen. Erfahrung im Einzelhandel ist hilfreich, aber nicht zwingend nötig. Du kannst dir das nötige Wissen auch Schritt für Schritt aneignen.
Online- oder Präsenzseminare helfen dir beim Einstieg. Wenn du noch keine Erfahrung als Unternehmer:in hast, sind Kurse zu Preiskalkulation, Buchhaltung und Marketing besonders sinnvoll.
Ein gewisses Startkapital ist wichtig, um Ladenfläche, Produkte und die Anfangszeit zu finanzieren.
Du hast viel Kundenkontakt – Begeisterungsfähigkeit und ein Gespür für Menschen sind daher entscheidend für deinen Erfolg.
Lesetipp: Lerne, wie du mit der richtigen Preiskalkulation deine Verkaufspreise berechnest.
Formelle Aspekte
Rechtsform wählen
Wenn du einen ReCommerce-Shop eröffnest, bleiben dir Themen wie die passende Rechtsform leider nicht erspart. Auch wenn das für die meisten Menschen der weniger aufregende Teil der Planung ist, ist er nicht weniger wichtig und sollte gut durchdacht sein. Second-Hand-Läden werden meist als UG, GmbH, GbR oder als Einzelunternehmen gegründet. Die Unterschiede der Rechtsformen liegen in den Steuern, der jeweiligen Haftung und dem Kapital.
Lesetipp: Unser Überblick über die gängigen Rechtsformen unterstützt dich bei der Wahl.
Behördengänge
Eintrag im Handelsregister: Wenn du für deinen ReCommerce-Shop die Rechtsformen GmbH oder UG gewählt hast, musst du dich beispielsweise im Handelsregister eintragen. Als Einzelunternehmer:in hingegen musst du dich nur dann eintragen, wenn du auch offiziell als Kaufmann (e.K.) eingetragen bist.
Gewerbe anmelden: In jedem Fall musst du dich bei dem zuständigen Gewerbeamt anmelden. Nach der Anmeldung musst du dein Unternehmen zudem auch steuerlich anmelden, sodass du Rechnungen ordnungsgemäß ausstellen darfst. Das zuständige Gewerbeamt sowie das Finanzamt sind hierbei die richtigen Anlaufstellen und unterstützen dich bei diesem Schritt.
Industrie- und Handelskammer: Nachdem du dein Gewerbe beim Gewerbeamt angemeldet hast, wird neben dem Finanzamt auch die Industrie- und Handelskammer informiert. Die IHK nimmt dann Kontakt zu dir auf und du musst dich auch dort anmelden.
Berufsgenossenschaft: Bei der Berufsgenossenschaft handelt es sich um die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung für Unternehmen und deren Beschäftigte. Auch wenn du kein Personal hast, bist du dazu verpflichtet, dich bei der zuständigen Berufsgenossenschaft anzumelden. Speziell für den Einzelhandel ist die BGHW (Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik zuständig)
Tipps für erfolgreichen ReCommerce
Der ReCommerce-Markt wächst rasant. Es lohnt sich also, jetzt einzusteigen. Damit du erfolgreich durchstartest, beachte folgende Tipps:
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Setze auf Produkttransparenz: Detaillierte, ehrliche Beschreibungen schaffen Vertrauen. Mach klar, ob ein Produkt gebraucht oder aufbereitet ist – das schützt vor Rücksendungen und Unzufriedenheit.
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Preise fair und marktgerecht: Finde das richtige Gleichgewicht zwischen Zustand und Marktwert. ReCommerce-Kund:innen sind preisbewusst, aber auch qualitätsorientiert.
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Bereite Produkte sinnvoll auf: Reparieren, reinigen oder aufwerten – damit steigerst du den Wert und senkst gleichzeitig die Retourenquote.
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Optimiere deine Logistik: Effizientes Lagermanagement, schneller Versand und ein durchdachtes Retourenhandling machen den Unterschied im Wettbewerb.
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Fördere Nachhaltigkeit aktiv: ReCommerce lebt von nachhaltigem Handeln. Verwende umweltfreundliche Verpackungen, reduziere Abfall und zeige dein Engagement offen.
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Bilde dich und deine Kund:innen weiter: Wissen ist entscheidend. Informiere dich regelmäßig über Markttrends und unterstütze auch deine Kund:innen dabei, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen.
Produktauswahl
Die Produktauswahl zählt zu den wichtigsten Entscheidungen bei der Gründung. Überlege dir, ob du dich auf bestimmte Kategorien wie Kleidung, Möbel oder Bücher spezialisierst. Ein klares Konzept hilft dir, den Überblick zu behalten und deinen Laden professionell zu gestalten.
Auch wenn du viele Spenden bekommst, solltest du nur Artikel annehmen, die zu deinem Sortiment passen. Eine zu breite Auswahl kann unübersichtlich wirken und Kund:innen abschrecken.
Mit der Zeit entwickelst du ein Gespür für passende Produkte. Du kannst sie günstig ankaufen oder auf Kommission verkaufen: Kund:innen bringen dir Artikel, du legst den Preis fest und teilst den Erlös mit ihnen.
In diesem Video (auf Englisch) zeigen wir dir, wie du deinen Onlineshop mit Hilfe von Shopify ganz einfach erstellen kannst:
Fazit
Wenn du einen ReCommerce-Shop eröffnest, trägst du nicht nur etwas zur Nachhaltigkeit bei, sondern hast auch die Chance, dich mit interessanten Leuten auszutauschen und einzigartige Produkte zu entdecken. Doch bevor du dir den Traum vom ReCommerce-Shop erfüllen kannst, gilt es, einige formelle Aspekte zu klären und dich konkret auf die Eröffnung vorzubereiten. Von der richtigen Rechtsform, über Versicherungen bis hin zu der Wahl des idealen Standorts gibt es einiges zu beachten. Wenn du dich jedoch an unserem Leitfaden orientierst und alles Schritt für Schritt angehst, steht deinem Traum nichts mehr im Weg und du kannst schon bald deinen Store eröffnen.
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